Rettet den Stiftshof!

Das Finanzamt Backnang ist vor kurzem von seinem bisherigen, auf mehrere Gebäude verteilten Standort im historischen Stiftshof, der Keimzelle Backnangs, wo bereits um 650 n. Chr. erste Besiedlungen nachgewiesen sind, in ein Gebäude der ehemaligen Spinnerei Adolff aus dem 19. Jahrhundert, das längere Zeit leerstand und nun renoviert wurde, umgezogen.

Historisches Polizeigebäude von 1877

Dadurch wurden die bisherigen Gebäude frei, unter anderem auch das ehemalige Polizeigebäude von 1877, das früher den Wirtschaftskontrolldienst und zuletzt eben Teile des Finanzamtes beherbergte. (Zum Vergrößern einfach auf die einzelnen Bilder klicken.)
Im Zuge der Verwaltungsreform sollen einige Kreisbehörden in Backnang angesiedelt werden, so daß die Kreisverwaltung die Räumlichkeiten im Landratsamt, die bisher von der Stadt Backnang für das Baurechtsamt und andere städtische Behörden angemietet waren, nun selbst benötigt. Das Baurechtsamt muß also umziehen, und OB und Stadtrat haben nun den Stiftshof als neues Domizil auserkoren. Daran ist grundsätzlich nichts auszusetzen, stehen doch dort die Finanzamtsgebäude für eine weitere Verwaltungsnutzung schon zur Verfügung und bedürften - wenn überhaupt - nur geringer Veränderungen.

Sogenanntes „Torbogengebäude“, das durch einen Verbindungsbau an den geplanten Neubau angeschlossen werden soll

Doch anstatt diese Gebäude in ihrer bisherigen Gestalt zu nutzen, soll das historische Polizeigebäude nun dem Erdboden gleichgemacht, an seiner Stelle ein teurer und protziger Neubau aus Glas und Beton errichtet und zu allem Überfluß noch mit einem ebensolchen Verbindungsbau mit einem mittelalterlichen Fachwerk-Torbogengebäude verbunden werden.

Die Mehrheit der Backnanger Bürger ist gegen eine solche Verschandelung des Stiftshofes und für den Erhalt des Polizeigebäudes. Eine Weiternutzung würde nicht nur das gewachsenen Gebäudeensemble erhalten, das durch solch einen Neubau unwiederbringlich zerstört würde, sondern auch noch eine mindestens sechsstellige Summe (in Euro; in DM wäre sie sogar siebenstellig) einsparen. Außerdem steht ein riesiger Gebäudekomplex an der Bahnhofstraße, der bisher das Postamt und die Postverwaltung beherbergte, leer. (Das Postamt heißt jetzt nur noch Postfiliale und ist in die Innenstadt abgezogen; die Postverwaltung wurde gänzlich abgezogen.) Doch OB, Verwaltung und Stadtrat zeigen sich gegenüber solchen Argumenten verschlossen und versuchen schnell noch vor einem geplanten Bürgerbegehren vollendete Tatsachen zu schaffen. So war ich selbst vergangenen Freitag Zeuge, wie ein Abrißtrupp mit Vorschlaghammer und Stemmeisen anrückte und damit begann, das Gebäude schon einmal vorsorglich von innen zu zerstören, um so eine Weiternutzung unmöglich zu machen. Sobald das Backnanger Straßenfest (Fr, 24. - Mo, 27.06.) vorbei ist, sollen die Bagger anrücken und das frevelhafte Werk vollenden.
Lediglich ein Stadtrat wehrt sich gegen die Abriß- und Neubaupläne, doch er kämpft natürlich auf verlorenem Posten. Mittlerweile hat sich eine Bürgerinitiative gebildet, die mit Unterschriftensammlungen, Plakaten, Eingaben, einer noch von mir zu einzurichtenden Internetseite und dem erwähnten Bürgerbegehren, aus dem aber wohl aus formalen Gründen nichts wird, versucht, diesem Unsinn noch Einhalt zu gebieten.

Der derzeitige Stand ist jedoch leider der, daß einige resigniert haben, die viel Herzblut in diese Sache gesteckt hatten, weil ein Abriß wohl nicht mehr zu verhindern ist.
Einigen Beobachtern drängt sich sehr stark der Verdacht auf, daß man sich dem Investor Doblinger von der Firma Dibag, der die Sanierung des Adolff-Fabrikgebäudes finanziert hat und nun die Gebäude im Stiftshof (außer dem Amtsgericht), die dem Land Baden-Württemberg gehören, kaufen will, schon gekauft hat oder jedenfalls ein großes wirtschaftliches Interesse am Stiftshof (in bester Backnanger Innenstadtlage) hat, verpflichtet fühlt. Man könnte diesen Schachtelsatz auch verkürzt mit „Vetterleswirtschaft“ zusammenfassen.

„Feuertreppe“ des früheren Turmschulhauses, die den Blick auf das Gebäude fast völlig versperrt

Die Bürgerinitiative will nun, wenn schon der Abriß nicht mehr zu verhindern ist, wenigstens den geplanten Neubau verhindern, verzögern oder wenigstens so gestalten, daß er sich harmonisch in das bestehende Gebäudeensemble einfügt (und z. B. den unseligen Verbindungsbau verhindern). Man scheint jedoch aus vergangenen Bausünden nichts gelernt zu haben: So wurde erst vor wenigen Jahren an den historischen Bau der Michaelskirche aus dem 12. Jahrhundert eine häßliche, globige Treppe angebaut, die das eigentliche Gebäude fast vollständig verdeckt. (Hinter der Treppe ist nur noch das Dach zu sehen.) Wahrscheinlich hat das unseren früheren OB Jürgen Schmidt (SPD) 2002 die Wiederwahl gekostet.

Der Turm der nicht mehr bestehenden Michaelskirche, heute „Stadtturm“ genannt, ist das Wahrzeichen der Stadt Backnang. Unten links das angebaute Turmschulhaus, von dem wegen der Treppe nur noch das Dach zu sehen ist.

Neben dem Stadtturm (ebenfalls aus dem 12. Jahrundert) ist noch ein Teil der Treppe zu sehen, was die Dimensionen dieses Bauwerks deutlich macht.

Der neue OB Frank Nopper (CDU) hatte, das konnte man bereits heute mit großer Wahrscheinlichkeit sagen, den Wahlsieg 2010 schon so gut wie in der Tasche, weil der Landrat das Backnanger Krankenhaus schließen (und ebenfalls abreißen) will und sich der OB mit den Bürgern aus Backnang und dem gesamten Altkreis und allen Parteien für den Erhalt des Krankenhauses eingesetzt hat. Der Kampf ist noch nicht entschieden (vieles hängt hier auch vom Land ab, da der geplante Neubau in Winnenden (nur Unterzentrum!) sich nur rechnet, wenn das Land 80 % der Baukosten trägt), doch gleichgültig wie er ausgehen wird, hätten ihm die Wähler seinen Einsatz bei der nächsten Wahl gedankt. Doch nun verspielt er sich sämtliche Sympathien, indem er selbst zur Spitzhacke greift. Manche können sich dies nur so erklären, daß er an einer Wiederwahl sowieso nicht interessiert sei und stattdessen nach Höherem (z. B. einem Posten als Staatssekretär) strebe.

Der Grund warum die Sache nun eben so eilig ist, ist der, daß vermutlich schon nächste Woche das alte Polizeigebäude abgerissen wird und nun die letzte Möglichkeit für Sie besteht, dieses und den Stiftshof in seiner alten Gestalt für die Nachwelt und Ihre Zuschauer zu erhalten. Am Freitag beginnt bereits das Straßenfest, so daß der ganze Stifthof voller Biertische stehen wird, und nach dem Straßenfest kann es jeden Tag losgehen.

Falls Sie Interesse haben und ein Kamerateam schicken sollten, steht Ihnen Herr Prof. Dr. Andreas Brunold als kompetenter Ansprech- und auch Interviewpartner zur Verfügung. Inhaltliche Fragen kann Ihnen außerdem Frau Dr. Beate Rivinius beantworten: Sie war von Anfang an dabei, hat sich große Fachkenntnisse und Meriten erworben und verfügt über eine sehr umfassende Materialsammlung.

Für nächste Woche ist außerdem die Übergabe der gesammelten Unterschriften an den Oberbürgermeister geplant, die sich ebenfalls für eine Berichterstattung eignen würde.

Thilo Benner

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letzte Änderung: 23.06.2005